94 Er wird diesen Sommer 94 Jahre alt, mein Vater. Der Mann, über den der Herr Pfarrer, als sich mein Vater wenige Tage nach seiner Geburt als kränklich erwies, sagte: "Lass ihn taufen, damit er den Himmel verdient. Das war der Moment, in dem meine Großmutter ihren Glauben verlor, denn wenn ein so unschuldiges Kind, das noch nichts falsch machen konnte, des Himmels nicht würdig war, dann konnte ihr der Blitz gestohlen werden.
Die Lektionen, die mir meine Eltern beigebracht haben, lassen sich in zwei Sätzen zusammenfassen: "Wer Gutes tut, tut Gutes" und "Was du nicht willst, dass man dir tu', das füg' auch keinem anderen zu". Ob man damit eine Fahrkarte in den Himmel bekommt, weiß ich nicht, aber meine Mutter schon. Sie ist vor knapp einem Jahr verstorben, und wie gerne würde ich mit ihr über die großen Fragen des Lebens diskutieren können. Vor allem jetzt, wo alles, was ich für 'gut' halte, so unter Druck steht. Und auch mein Vater wird mir weiterhin die Antwort schuldig bleiben, denn er lebt in einem eigenen Universum, das das unsere manchmal berührt, manchmal himmlisch unschuldig und manchmal höllisch kompliziert erscheint.
Was wollten sie mir mit auf den Weg geben? Wie hofften sie, dass meine Welt aussehen würde? Es ist leicht, mit Klischees um sich zu werfen. Gutes zu tun und andere respektvoll zu behandeln scheint so einfach. Aber auch ich habe ein Bauchgefühl, Urteile. Was ist überhaupt gut? Und wenn ich Gutes tue, wird das Gute in der Welt dann automatisch zu mir kommen? In meinem Kampf entdecke ich, dass richtig und falsch zwei Seiten derselben Medaille sind. Ohne das Gute gibt es auch das Falsche nicht. Ich habe die Freiheit zu wählen, und diese Freiheit bringt Verantwortung mit sich. Mein freier Wille ist nicht nur mein eigenes Ich. Wenn ich wirklich das Richtige tun will, komme ich nicht umhin, meine eigenen dunklen Seiten und die der anderen mitfühlend zu betrachten. Jeden Tag habe ich, haben wir, die Chance, neu zu entscheiden, was wir für richtig halten. Lassen Sie uns nicht nur uns selbst, sondern auch die anderen nicht aus den Augen verlieren. Denn, wie ein Pfarrer in unserem Dorf einmal sagte: "Jeder Mensch ist in der Lage, einen anderen zu segnen".
Ich wünsche Ihnen ein gesegnetes Osterfest in der Hoffnung, dass wir gemeinsam gegen Ungerechtigkeit und Unterdrückung aufstehen können, um eine Welt von morgen aufzubauen. Eine Welt für alle.